Unser Darm ist ein kompliziertes System, dessen gesundheitliche Bedeutung wir gar nicht hoch genug einschätzen können. Oft wird sein Einfluss auf unsere körperliche und geistige Gesundheit unterschätzt. Die Innereien sind eine wichtige Schaltzentrale für unser gesamtes Immunsystem wie auch emotionales Wohlbefinden. Eine depressive Verstimmung kann beispielsweise die Folge einer gestörten Darmflora sein.
Der Darm trägt die Hauptverantwortung für unser Immunsystem. Es wird durch gute Bakterien gestärkt. Entgegen ihrem negativen Image tun uns 95 Prozent aller Bakterien nichts – sehr viele helfen uns sogar! Bakterien schützen den Darm, spalten Ballaststoffe und Vitamine und nähren unsere Zellen. Auch schädliche Bakterien können nützlich sein, denn sie trainieren unser Abwehrsystem. Bakterien helfen nicht nur der Verdauung und unserem Immunsystem, sondern verbessern auch die Stimmung! Das Glückshormon Serotonin wird mit Hilfe von Bakterien im Darm gebildet – vorausgesetzt er ist gesund!
Darmfreundliche Ernährung
Wie im Artikel über Beautiful-Aging-Nahrung beschrieben, befindet sich unser Verdauungssystem genetisch gesehen noch in der Steinzeit. Mit vielen Erzeugnissen der modernen Nahrungsmittelindustrie kann er somit wenig anfangen. Wir sollten möglichst naturbelassene, vielfältige, frische, nicht konservierte Nahrungsmittel zu uns nehmen. Vielfalt ist überhaupt das Zauberwort einer darmfreundlichen Ernährung. Unsere Bakterien ernähren sich über das, was wir essen. Bei dauerhafter einseitiger Ernährung “füttern” wir nur bestimmte Bakterien, die sich daraufhin vermehren, während andere zu kurz kommen und absterben. Das kann gravierende Auswirkungen auf unsere Darmflora und folglich unsere Verdauung und unser Immunsystem haben. Sogar chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Hauterkrankungen und Allergien können die Folgen einer einseitigen Ernährung sein.
Wenn wir zum Beispiel zu viel Zucker essen, “züchten” wir zu viele zucker-liebende Bakterien in unserem Darm, die zu viel Gärung verursachen. Bakterien können auch unsere Gelüste beeinflussen, in diesem Fall also unseren Appetit nach Zucker steigern, was wiederum mehr zucker-liebende Bakterien erzeugt. Ein richtiger Teufelskreis! Dasselbe gilt natürlich auch für einen Überschuss an Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten in unserer Ernährung – also Überschüssen jeglicher Art. Jedoch hat dieses System auch gute Seiten! Wer eine lange Zeit keine Süßigkeiten mehr isst, vermisst sie irgendwann nicht mehr so sehr, weil weniger Schleckermaul-Bakterien in unserem Darm danach verlangen.
Die Feinde unseres Darms
Wenn wir “Magenschmerzen” haben, meinen wir meistens unseren Darm. Der Magen befindet sich nämlich viel höher. Alles was unterhalb des Brustkorbs zwickt und zwackt ist unser Darm. Dieses Zwicken kann – neben einer falschen Ernährung – viele Gründe haben.
Künstliche Zusatzstoffe, wie Emulgatoren, Farb-, Konservierungs- und Geschmacksstoffe können den Darm irritieren und unsere Gesundheit negativ beeinflussen. Auch Medikamente setzen ihn enorm unter Druck! Dabei sind Antibiotika der absolute Super-Gau, denn sie töten nicht nur die schlechten Bakterien ab, sondern auch alle guten. Leider werden Antibiotika oft vorschnell verordnet. Die meisten Infektionen und Erkältungskrankheiten werden nämlich nicht von Bakterien, sondern von Viren verursacht, gegen die Antibiotika nicht wirken. Bei unklaren Infekten kann man den Hausarzt um einen Procalcitonin-Test bitten. Dieser stellt fest, ob Bakterien oder Viren für unsere Krankheit verantwortlich sind und schützt uns somit vor einer unnötigen Einnahme von Antibiotika. Auch beim Verzehr von herkömmlichem Fleisch nehmen wir ungewollt Antibiotika zu uns, die zur Vorbeugung von Infektionen in der Massentierhaltung eingesetzt werden.
Ein weiterer häufiger Auslöser für Verdauungsprobleme ist Stress. Unser Darm kann am effektivsten arbeiten, wenn wir entspannt sind. Wie ich schon früher im Buch beschrieben habe, gerät bei Stress unser ganzer Körper in Alarmbereitschaft und verfällt in eine Ausnahmesituation. Unsere gesamte Energie konzentriert sich auf die Stressbewältigung im Gehirn und auch unser Darm spart seine Energie auf, um diese dem Hirn zu “leihen”. Wenn das Gehirn nun permanent Stresssituationen, wie Zeitdruck oder Ärger, ausgesetzt ist, setzt das unserem Darm zu. Energielosigkeit, Appetitlosigkeit, Unwohlsein oder Durchfall können einige der Auswirkungen davon sein.
Auch während des Essens wünscht sich unser Darm eine hektik- und stressfreie Zeit, damit unsere Energie voll und ganz der Verdauung gewidmet werden kann. Schon der bewusste Anblick und der Geruch von Essen regt die Speichelproduktion und unser gesamtes Verdauungssystem an. Langsames Essen und gutes Kauen unterstützt unseren Darm bei der Verdauung und vor allem bei der unglaublich wichtigen Gewinnung von Vitaminen aus unseren Speisen.
Die Freunde unseres Darms
Also sind Stress, chemische Zusatzstoffe und Medikamente wie Antibiotika für viele unserer gesundheitlichen Probleme verantwortlich. Durch eine ausgewogene, vielseitige Ernährung und langsames Kauen können wir die Bakterien in unserem Darm unterstützen. Wie können wir ihm noch Gutes tun?
Probiotika sind gute Bakterienkulturen, die unserem Darm zu einem gesunden Gleichgewicht verhelfen. Sie sind vor allem in fermentierten Lebensmitteln vorhanden, wie Joghurt, Sauermilch, Käse, Sauerkraut, milchsauer fermentiertes Gemüse, Sojasauce und Miso-Suppe. Probiotische Bakterien schützen und pflegen unseren Darm und verteidigen ihn gegen Krankheiten. Sie stärken unser Immunsystem, wirken gegen Durchfall und Darmgrippe und schützen möglicherweise sogar vor Allergien. Die unglaubliche Wirkung von Probiotika wird nur von einer Tatsache begrenzt, nämlich, dass sie schnell wieder aus unserem Darm verschwinden. Deshalb wirken sie am besten bei täglicher Einnahme und funktionieren eher wie eine Pflegekur für unseren Darm. Im folgenden Kapitel geht es um das faszinierende Thema Fermentieren.
Präbiotika sind viel alltagstauglicher als Probiotika, denn sie fördern längerfristig die guten Bakterien in unserem Darm. Durch Ballaststoffe, die unbeschadet durch unseren Dünndarm “rutschen”, kommen Präbiotika in unserem Dickdarm zum Einsatz. Dort füttern sie unsere braven Bakterien, die Vitamine für uns zersetzen und das Immunsystem trainieren. Dadurch vermehren sich gute Bakterien und lassen weniger Platz für schlechte. Leider essen wir viel zu wenige Ballaststoffe! Von den 30 Gramm, die wir täglich essen sollten, essen die meisten Menschen nur die Hälfte. Ballaststoffreiche Lebensmittel sind Obst und Gemüse, vor allem Kraut und Karotten, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Nüsse. Nudeln, Weißbrot, Fleisch, Eier und Süßigkeiten sind Beispiele für ballaststoffarme Lebensmittel.
Tipp: Um zu sehen, wie es um unsere Darmflora tatsächlich steht, empfiehlt es sich, eine Stuhldiagnostik durchführen lassen, also eine Laboruntersuchung unseres Stuhls.
Bakterien im AlltagÜbertriebene Sauberkeit im Haushalt und auf der Haut tötet wertvolle Bakterien ab. Aus Angst vor schädlichen Keimen und Grippeviren werden auch die Bakterien abgetötet, die für ein gesundes Immunsystem sorgen. In Ländern mit hohen Hygienestandards gibt es folglich mehr Menschen mit Allergien und Autoimmunerkrankungen. Deshalb raten Experten von der Verwendung von Desinfektionsmitteln im normalen Haushalt ab, außer jemand im Haus ist krank. Beim Putzen soll es darum gehen, weniger Bakterien zu haben, nicht gar keine. Dafür gibt es sinnvolle Haushaltstechniken:
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